Schneckenplage? Jetzt nach dem Regen sind sie wieder besonders gut sichtbar.
Wir Naturgärtner versuchen ja, Milde walten zu lassen und jeder Gartenbewohnerin was zu gönnen. Aber wenn eine Gruppe in der Überzahl ist, fällt das schon einmal schwer.
Es war einmal... Märchen rund um die Schnecke
Fakt 1: Ist die spanische Wegschnecke vielleicht doch heimisch?
Hier müssen wir zuerst einmal mit ein paar Mythen aufräumen: Die Spanische Wegschnecke Arion lusitanicus kommt NICHT aus Spanien oder Portugal, sondern ist mit höchster Wahrscheinlichkeit in Mitteleuropa heimisch. Das weißt man seit einer Studie im Jahr 2014.
Die ebenfalls heimische Rote Wegschnecke Arion rufus - was für ein Name! - ist von ihr kaum zu unterscheiden, verträgt aber womöglich Trockenheit schlechter und ist vielleicht auch deshalb seltener geworden.
Fakt 2: Die Weinbergschnecke frisst keine Nacktschnecken.
Und auch nicht deren Gelege, denn sie ist ein reiner Pflanzenfresser. Umgekehrt jagen Nacktschnecken schon mal Gehäuseschnecken. Ausnahme: Die mittlerweile weit verbreitete mediterrane Gefleckte Weinbergschnecke nimmt wohl auch mal gern Tierisches zu sich.
Der Tigerschnegel ist auch eine Schnecke. Aus der Gattung der Schnegel. Auch er frisst andere (lebende) Nacktschnecken nur ausnahmsweise. Deren Gelege schon eher, auf eine nennenswerte Dezimierung braucht man aber durch ihn nicht zu hoffen.
Fakt 3: Igel fressen kaum Schnecken.
Und schon gar keine Wegschnecken. Und eigentlich eher, wenn sie sonst nichts finden. Dann verhungern sie aber vermutlich trotzdem, weil Schnecken keine adäquate Nahrung für sie sind und gerne mal gefährliche Parasiten übertragen. Igel sind Insektenfresser!
Gut, wissen wir das einmal. Jetzt sind sie aber immer noch da, die Schneckis! Wie alles in der Natur kommt es auf ein gutes Gleichgewicht an. Das ist auch in meinem Garten mal ausgewogener, mal nicht. Schneckentechnisch bin ich erstaunt, wie gut es sich inzwischen in der Waage hält. Obwohl mein Garten klein ist und der einzige Naturgarten weit und breit - sie ziehen also wohl auch aus dem feindlichen Umfeld bei mir ein.
Ich habe mittlerweile weit mehr Gehäuseschnecken als Nackerte, das freut mich - weil die lieben obdachlosen Schleimer gefühlt viel schneller eine Pflanze vernichten. Was nicht heißt, dass die anderen Schnecken so einen jungen Salat verschmähen würden! Und ein Schnegel, der was auf sich hält, natürlich auch nicht.
Leider, oder gottseidank, je nach Sichtweise, haben wir ja den Gemüsesorten mittlerweile den letzten Rest Bitterstoffe abgezüchtet, da glauben die Schnecken halt, das Gemüse ist schon tot und gehört verarbeitet. Selbiges gilt aus Schneckensicht leider für reife Früchte wie Erdbeeren.
Aber: Grundsätzlich fressen alle Schnecken am liebsten zumindest angewelktes Grünzeug. Das kann man schön beobachten, wenn man seine Beete mulcht, da wurlt es dann vor lauter eifrigen Kriechern. Mulch mögen sie überhaupt gern, darunter ist es schön feucht und dunkel und es lässt sich gut den heißen Sommertag verschlafen. Sollte man mitdenken, wenn man wirklich viele Schnecken hat. Auch habe ich die Beobachtung gemacht, dass Gemüse, das sich selbst ausgesät hat, viel weniger anfällig ist, auch bei Salat! Logisch - denn jedes Umpflanzen schwächt, und kränkliche Pflanzen müssen weg - findet die Schnecke. Das ist schließlich ihr Job.
Wegschnecken und Schnegel kommt dabei auch noch die Aufgabe zuteil, Aas im Garten wegzuräumen. Das tun sie vornehmlich in der Nacht oder bei feuchtem Wetter. Schnecken haben also eine wichtige Aufgabe im Naturkreislauf! Sie sind für die Grobzerlegung von organischem Material zuständig, das kleinere Organismen dann übernehmen und weiterverarbeiten.
Gemüse schützen, aber wie?
Das ändert aber immer noch nichts daran, dass wir bitteschön auch gern etwas von unserem zarten Gemüse hätten. Wie man das bewerkstelligt, dazu gibt es Unmengen an Empfehlungen im Netz. Aus meiner Erfahrung sind kurzfristig davon wenige wirklich hilfreich:
das Absammeln: aufwändig und oft zu spät.
Laufenten oder alte Hühnerrassen: sehr sicher, aber nur in großen Gärten umsetzbar und mit viel Verantwortung verbunden. Salat muss gesondert geschützt werden, den fressen auch die Enten gern.
mechanische Barrieren wie der gute alte Schneckenzaun: ziemlich sicher und - wenn er aus Metall ist - langlebig, aber in der Anschaffung teuer. Alternativ große Schneckenkrägen für einzelne Pflanzen. Engmaschiges Drahtgeflecht (genetzte Ackerschnecken sind winzig und kommen durch kleinste Spalten) zu einem spitzen Winkel gebogen wäre die DIY-Variante dazu.
Lebensräume schaffen - Vielfalt schränkt Schnecken ein
Oft ist auch eine Kombination aus mehreren Möglichkeiten sinnvoll. Ich habe zum Beispiel in einen langlebigen Schneckenzaun investiert, der zumindest ein paar empfindliche Kulturen schützt.
Vor dem Einsatz der vielgelobten Kupferbänder bitte nachdenken, ob man zusätzlich noch Schwermetall im Garten haben möchte. Wenn, dann bitte ohne Erdkontakt! Und sie müssen breit genug sein. Viele schwören drauf aber es gibt auch eine Menge Menschen, die das Gegenteil behaupten.
Langfristig heißt die Devise: Vielfalt schaffen! Im Gemüsegarten und drumherum. Und welche tierischen Helfer können uns dabei unterstützen?
Laufkäfer
Die schnellen Käfer heißen nicht umsonst im Englischen "Snail Hunters". Vor allem der Lederlaufkäfer und seine Verwandten sind äußerst effektive Schneckenjäger! Totholzhaufen, wilde Ecken, gerne auch schattig und etwas feucht, das braucht er zum Leben.
Kröten und andere Amphibien
Wer es schafft, Amphibien und Reptilien im Garten anzusiedeln, hat viel gewonnen! Blindschleichen, Eidechsen, Salamander, Frösche - alle sind sie scharf auf Schnecken (neben anderem Getier natürlich). Feuchtbiotope und Rückzugsräume anlegen und freilaufende Katzen im Zaum halten!
Glühwürmchen-Larven
Sie fressen Unmengen an Schnecken! Leider sind sie inzwischen selten geworden. Das liegt an der zunehmenden Lichtverschmutzung, fehlendem Lebensraum und - nach Meinung mancher Beobachter - womöglich auch daran, dass wir ihre Nahrung - Schnecken! - so rigoros bekämpfen. Also Licht aus im Garten! Sie brauchen Dunkelheit.
Maulwürfe und Spitzmäuse
Freut euch, wenn ihr Maulwürfe im Garten habt! Sie liefern euch nicht nur frei Haus feinste Aussaaterde und belüften den Boden. Sie halten euch auch wurzelfressende Insekten und Schnecken vom Hals. Spitzmäuse (nicht zu verwechseln mit Haus- oder Wühlmäusen) ebenso. Igel, wie oben erwähnt, fressen Schnecken auch mal, sie sollten aber wirklich nicht die Hauptmahlzeit sein.
Vögel
Ein vogelfreundlicher Garten ist gefährlich für Schnecken. Vor allem Amseln und andere Drosseln mögen das Weichgetier, allerdings mehr das mit Schale. Die dann wieder Nistplatz für bestimmte Wildbienen ist. Freigelegte Schneckengelege sind immer ein willkommener Snack!
Bio-Schneckenkorn. Really?
Ökologisch denkende Menschen streuen kein Gift. Auch kein "biologisches", das tötet nämlich ALLE Weichtiere (das nämlich bedeutet das Wort "molluskizid"), und zwar ziemlich qualvoll. Auch wenn es "in der Natur vorkommt". Natürlich haben wir üblicherweise keine Tintenfische im Garten, aber Schnecken sind alle dran.
Die Gebrauchsanleitung eines bekannten Herstellers führt, marketingpsychologisch clever, nur die Wirkung gegen Nacktschnecken an. Nicht, dass Menschen mitbekommen, dass auch die geliebte Weinbergschnecke elendig daran stirbt.
Es ist richtig, dass Eisen-III-Phosphat, der Wirkstoff von "biologischem" Schneckenkorn, für andere Tiere (und damit uns) wohl unbedenklich ist. Immerhin nehmen wir das Zeug auch gern als Nahrungsergänzungsmittel ein.
Zugelassen ist zum Beispiel das Produkt "Ferramol" lt. Pflanzenschutzregister des Bundesamtes für Ernährungssicherheit seit 1998 für den Haus- und Kleingartenbereich. Im Vergleich zu einem für den professionellen Bereich zugelassenen Pestizid (29 g/kg) ist der Wirkstoffgehalt mit 9,9 g/kg und 19,8 g/kg im "compact" geringer. Da hat man wohl die unkontrollierte und nicht sachgemäße Verwendung im Hobbygarten gleich mitgedacht.
Die ziemlich umfangreiche Seite schneckenhilfe.de verweist auf eine neuere Studie, aus der sich schließen lässt, dass der Stoff wohl doch nicht so unbedenklich für Bodenlebewesen - in dem Fall Regenwürmer - sein könnte. Die Ergebnisse waren demzufolge aber nicht aussagekräftig genug, um ein Zulassungsverbot für Eisen-III-Phosphat zu erreichen.
Aber was ist drin in den restlichen 980 g/kg? Dazu finde ich keine offizielle Information und meine Anfrage im Juli 2021 bei einem Hersteller wurde beantwortet mit: "... da das unser Betriebsgeheimnis ist, dürfen wir Ihnen darüber keine Auskunft erteilen".
Das Sicherheitsdatenblatt von Ferramol, das man zwar auf Händlerseiten, aber bei Erscheinen dieses Artikels nicht auf der Seite des Herstellers findet, warnt vor dem Ausbringen in der Nähe von Oberflächengewässern, denn es ist tödlich für Wasserorganismen. Allerdings erst ab einer Menge von mehr als 100 mg/l. Dieser Hinweis steht natürlich auf so ziemlich jedem Pestizid-Beiblatt. Komischerweise ist Eisen-III-Phosphat eigentlich schwer wasserlöslich, steht zum Beispiel hier. Vielleicht bezieht sich der Hinweis auch auf andere Inhaltsstoffe?
EDTA zum Beispiel wird gern als sogenannter Komplexbildner in Kombination mit Eisen-III-Phosphat in der Agrochemie eingesetzt. Der Stoff gilt heute als ökologisch bedenklich und ist nur schwer abbaubar, wie hier dargestellt wird. Eine Studie zeigte auch, dass EDTA wohl gefährlich für Regenwürmer ist. Ist es drin? Man weiß es nicht.
Verwendet man Schneckenkorn, ziehen sich die Schnecken, nachdem sie es aufgenommen haben, zurück und verenden langsam, über Tage. Das zieht wiederum magisch andere Nacktschnecken an, denn sterbende und verwesende Tiere finden sie fast so köstlich wie Bierfallen. Schließlich ist das ihr Job als Aufräum-Kommando.
Dass die Schnecken nicht sofort sterben, hat noch einen anderen Nachteil: Sie können durchaus noch Eier legen und so noch schnell für Nachwuchs sorgen.
Wem es jedenfalls nützt, sind die Hersteller, die gutes Geld mit den Mitteln machen, die sie unter großem Ressourcenaufwand herstellen. Einmal gefressen muss ja schließlich wieder nachgestreut werden.
Fazit: Im Hobbygarten bitte kein Gift - egal welches. Selbiges gilt natürlich auch für Salz, das nicht nur die Schnecken umbringt, sondern auch für den Boden nicht besonders förderlich ist.
Mehr Infos:
Naturspaziergang: Seite über Käfer und andere Insekten
Original-Artikel über Spanische Wegschnecke, M. Pfenninger (englisch)
Buch-Empfehlung: Schnecken: Über 100 Tipps für den Biogarten, Arthur Schnitzer. Zum Beispiel hier erhältlich.
留言